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„Was gestalten Sie denn da?“

Warum Gestalt-Coaching wenig mit Kunst und viel mit der Erweiterung Ihres Handlungsspielraums zu tun hat.
Wenn ich jemandem, der mich und meinen Beruf nicht kennt, erzähle, dass ich systemischer Gestalt-Coach und Gestalt-Therapeutin bin, kann ich förmlich sehen, wie sich vor dem inneren Auge meines Gegenübers eine Töpferscheibe zu drehen beginnt oder eine Leinwand auftaucht, die mit Farben befüllt werden soll. Das liegt durch die Begrifflichkeit ja auch absolut nahe. Doch selbst wenn sich das Gestalt-Coaching durchaus kreativer Medien bedient, hat nicht nur sein Name wenig mit Kunst zu tun.

Im Gestalt-Coaching geht es zwar auch um eine Art des Gestaltens, doch bezieht sich diese auf Ihren Umgang mit einer Herausforderung, die in Ihrem Leben und Arbeiten – aktuell oder immer wieder – Ihre Aufmerksamkeit auf sich zieht. Durch die erlebnisorientierte Herangehensweise geht es dabei weniger um neue Konzepte, als um neue Erfahrungen, die neben der kognitiven auch der emotionalen und körperlichen Ebene Raum geben. Das führt – bestätigt durch die moderne Gehirnforschung –  zur erfolgreichen Veränderung und nachhaltigen Erweiterung Ihres Handlungsspielraums.

Fritz und Lore Pearls, die Begründer der Gestalt-Therapie, aus der das Gestalt-Coaching abgeleitet wurde, sprechen als „Gestalt“ von dem, was aktuell aus dem Hintergrund hervortritt und unseren Fokus einnimmt. Meist kümmern wir uns darum, indem wir zum Beispiel etwas trinken, wenn wir Durst haben. Die „runde“ Gestalt wandert wieder in den Hintergrund und die nächste Gestalt taucht auf.
Dieser natürliche Prozess findet ständig statt. Ebenfalls gestützt durch neurowissenschaftliche Erkenntnisse, die bestätigen, dass nur ein Bruchteil von dem, was alles in und um uns herum passiert, überhaupt in unser Bewusstsein kommt – und dafür andere Dinge aus dem Blickfeld verdrängt werden müssen.

Allerdings bleibt eine Figur im Vordergrund, bzw. taucht wieder und wieder dort auf, wenn sie für uns eben noch nicht rund ist. Im Beispiel von oben, bleibt der Durst, bzw. macht sich immer wieder bemerkbar, solange Sie ihn nicht stillen. F. und L. Pearls sprechen dann von einer sogenannten „offenen Gestalt“.

Die offenen Gestalten, um die es im Gestalt-Coaching und in der Gestalt-Beratung geht, können unklare oder noch nicht umgesetzte Ziele sein, ein Konflikt, den Sie nicht gelöst bekommen, eine Veränderung, mit der Sie sich schwer tun, Erschöpfungszustände, wiederkehrende Zweifel und jede andere Art von Herausforderung, Belastung oder Anliegen.
Nicht selten sind es diese offenen Gestalten, die uns die meiste Energie kosten, Kopf-Kino-Schleifen am Laufen halten und unsere Aufmerksamkeit von anderen wichtigen Dingen abziehen.

Meist können wir sie allein auf der kognitiven Ebene und mit Hilfe unserer gewohnten Denk- und Verhaltensmuster nicht lösen, weswegen der Gestalt-Ansatz erfahrungsorientiert und erlebnisaktivierend arbeitet. Kurz gesagt bedeutet das, dass Sie etwas direkt ausprobieren, statt nur darüber zu reden. Als Menschen sind wir nun mal – ob uns das bewusst ist, oder nicht – auf mehr als einer Ebene aktiv. Der Blick ist dabei aufs Hier & Jetzt gerichtet, als einzigem Zeitpunkt, an dem eine Veränderung möglich ist.

Im Coaching geht es dabei nicht gewollt um tiefe Prozesse oder das Erzwingen von Emotionen. Vielmehr schafft die Gestalt-Arbeit einen Raum, in dem sich alles zeigen darf, was die offene Gestalt braucht, um sich schließen zu können – auf kognitiver, emotionaler und körperlicher Ebene. Wenn Coach-Kollegen, so wie ich, auch als Gestalttherapeuten ausgebildet sind, ist dieser Raum auch dann noch gehalten und geschützt, falls es auf Wunsch des Coachees auch mal etwas tiefer gehen darf.

Auch im Gestalt-Coaching steht das gewünschte Ziel im Vordergrund. Jedoch wird dem Prozess als Weg zum Ziel eine ebenso große Bedeutung beigemessen. Statt nur „darüber“ zu sprechen, bringt der Gestalt-Ansatz Sie mit Ihrem Anliegen, sowie auftauchenden Unklarheiten, Unsicherheiten oder Widerständen, in einen ganzheitlichen Dialog.
Erst das Sich-Hinein-Versetzen kann zu neuen Erfahrungen führen, die andere Perspektiven und Handlungsoptionen sichtbar und spürbar werden lassen. Vormals starre Dinge kommen so in Bewegung und Knoten lösen sich. Je bewusster und differenzierter die Wahrnehmung aller Erlebnisebenen dabei passiert, desto wirksamer können Sie Ihre Entwicklungsschritte integrieren und Ihre Ziele in der praktischen Realität umsetzen.

Als dialogische Methode legt Gestalt-Coaching viel Aufmerksamkeit auf die Beziehungsebene. Das bedeutet, einen ehrlichen Blick auf Ihren Umgang mit sich selbst und anderen in Bezug auf Ihre offene Gestalt. Möglicherweise ist eine authentische Kontaktfähigkeit an sich auch Ihr Coaching-Ziel, womit Sie im Gestalt-Coaching bestens aufgehoben wären. Für ein erfolgreiches und zufriedenstellendes Leben und Arbeiten ist Kontaktfähigkeit für uns alle wichtig. Doch wenn Sie Führungskraft, Coach, Trainer oder Therapeut sind, gehört sie definitiv zur Kernkompetenz. Leider erlebe ich immer wieder, dass ihr zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Dass ist wirklich schade, da sowohl Blockaden als auch Durchbrüche auf dieser Ebene eine unmittelbare und oft enorme Wirkung haben, die weite Kreise ziehen kann.

Dialogische Ausrichtung bedeutet auch, dass ich in meiner Rolle als Coach oder Therapeutin mit Ihnen als Klientin oder Klient in einen lebendigen und authentischen Kontakt gehe: Ich teile Ihnen meine Resonanz mit, stelle Ihnen Impulse zur Verfügung und gebe Ihnen ehrliches Feedback. Für mich persönlich bedeutet das im Besonderen, dass ich neben Professionalität und Kompetenz mein „Mensch-Sein“ nicht aussperren muss und berührbar bleiben darf. Mir das zu erlauben und zu erkennen, dass das nicht nur keinen Nachteil, sondern sogar eine Bereicherung darstellt, war übrigens eine offene Gestalt, an der ich arbeiten musste 😉

Als Gestalt-Cochee sehe ich Sie als eine Art Forscher auf der Entdeckungsreise zu Ihrem Ziel. Schritt für Schritt erkunden Sie – und setzen um – was es braucht, um dort anzukommen. Dabei nehmen Sie auch die überraschenden Schätze des Weges mit und haben am Ende viel mehr gewonnen, als das Ziel, mit dem Sie aufgebrochen sind. Und ja, es ist möglich, dass sich durch die Prozessorientierung auf dem Weg Ihr ursprüngliches Ziel verändert. Doch das passiert nur dann, wenn Ihnen ihr authentisches Erleben ein stimmigeres Ziel aufzeigt, von dem Sie und Ihr Umfeld am Ende mehr profitieren.

Auch wenn ich Ihnen jetzt einiges über Gestalt-Coaching erzählt habe, wissen Sie ja: Forscher und Entdecker können auch erst dann beurteilen, wie die Reise verläuft, wenn sie sich tatsächlich auf den Weg machen. Also gehen Sie los und probieren Sie es aus!  Gute Reise!

Von Herzen!
Christine Hebeiss

25.03.2019