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Leben Sie schon oder überleben Sie noch?

Wie frühe Anpassungsstrategien noch heute unser Verhalten beeinflussen können und wie der Weg raus funktioniert.
Fühlen Sie sich manchmal auch wie ferngesteuert?
Automatische und oft unbewusste Handlungsmuster halten uns wie auf unsichtbaren Schienen. Rechts und links gäbe es unendlich viele Möglichkeiten, doch gefühlt haben wir nur die Option, die uns die Spur im Moment vorgibt.

Sind Sie diejenige, deren Überstundenkonto aus allen Nähten platzt, oder derjenige, der sich grundsätzlich für alles verantwortlich fühlt? Vielleicht hat Sie das schon ganz schön weit gebracht, doch auf lange Sicht brennt es Sie wahrscheinlich aus.
Sind Sie in Ihrem Team für die Späße zuständig? Auch das ist toll, wenn es Ihrem Naturell entspricht und Ihnen Freude macht! Weniger toll ist es allerdings, wenn Sie gar nicht anders können, als für gute Laune zu sorgen. Das nimmt anderen Qualitäten den Raum und bringt Sie auch nicht bei jedem Anliegen weiter.

Diese Strategien haben wir uns schon sehr früh angeeignet, weil Sie uns zu Beginn unseres Lebens am besten dienlich waren. Unbewusst und automatisiert schränken Sie uns heute jedoch oft mehr ein, als dass sie uns nützlich sind.

Schon ab unserer Zeit im Mutterleib passen wir uns intuitiv an Situationen, Menschen und Beziehungen an, um unser Überleben zu sichern. Das ist notwendig, da wir zunächst von unserer Umwelt abhängig sind, weil wir noch nicht für uns selbst sorgen können. Zu unserem Glück leben wir in einer Kultur und Gesellschaft, wo unser physisches Überleben in der Regel gewährleistet ist. Doch für Babys und Kleinkinder sind emotionale Bindung und Zuwendung als psychisches Überleben genauso existenziell.

So wenig ich mich an andere schulische Inhalte erinnere, hat sich mir diese Geschichte unauslöschlich eingeprägt: Der Stauferkaiser Friedrich II führte im 13. Jahrhundert ein grausames Experiment durch: Um unsere „Ursprache“ zu entdecken, ließ er Säuglinge isolieren. Für deren körperliches Wohl (= physisches Überleben) war zwar durch Ammen gesorgt, jedoch war ihnen dabei jegliche sprachliche und emotionale Interaktion mit den Babys untersagt. Die „Ursprache“ fand er nicht, weil alle Babys starben.

Um die Strategien zu entwickeln, die uns in unserer individuellen Umgebung am besten zum Überleben nützen, richten wir uns an den verbalen und non-verbalen Botschaften unserer engen Bezugspersonen aus. Das passiert natürlich alles unbewusst, doch so ungefähr ab 3 Jahren durchaus als Entscheidung. Das ist die Zeit, wo sich unser Ich-Bewusstsein zu entwickeln beginnt, wir mehr und mehr entdecken wer wir sind – und auch die Reaktionen auf unserer So-Sein erleben.

Jeder von uns kommt mit einer natürlichen Essenz auf diese Welt. Mit ganz besonderen Qualitäten und Eigenschaften. Doch vielleicht macht ein sehr lebendiges Kind die Mutter unruhig? Ein lautes Kind den Vater wütend? Oder ein sehr emotionales Kind die Eltern unsicher, weil sie damit nicht umzugehen wissen?

Wir entwickeln ein ganz feines Gespür dafür, wodurch wir unser Überleben sichern, und wodurch wir es gefährden. Welches Verhalten macht unsere Bezugspersonen fröhlich, welches traurig? Welches entspannt sie und welches macht sie nervös oder sogar aggressiv? Was wird belohnt und was bestraft? Wodurch wenden Sie sich uns zu oder von uns ab. Wann fühlen wir uns geliebt und wann abgelehnt?

Oftmals bekommen wir da sehr konkrete, verbalisierte Handlungsanweisungen, wie „Sei brav!“ oder „Streng Dich an!“. Manchmal spüren Kinder jedoch auch, oder erleben es (mit), dass Zurückhaltung, Stärke oder Clownerei gut ankommen.

Was auch immer unsere Strategien waren – für die Zeit, in der es tatsächlich ums Überleben ging, sind diese Anpassungsleistungen eine enorm wichtige Sache und haben unseren ganzen Respekt verdient! Auch für einen Erwachsenen bleibt es eine wertvolle Fähigkeit, sich an die Gegebenheiten einer Situation oder Beziehung anpassen zu können. Weniger unterstützend ist es allerdings, wenn wir darin unfrei sind und den Mustern von damals noch immer unreflektiert folgen. Sie machen uns eng und beschneiden unser Potential. Damit sperren wir wichtige Teile unserer Persönlichkeit, und auch des Lebens aus, was uns auf Dauer von Zufriedenheit und unangestrengtem Erfolg abhält. Wir sind – wo das zutrifft – dann quasi noch nicht vom Überlebens-Modus in den Lebens-Modus gewechselt.

Selbst, wenn sich das manchmal so anfühlen mag, sind heute jedoch nicht mehr die anderen dafür verantwortlich. Bestimmt und bewertet wird Ihr Verhalten mittlerweile aus Ihnen selbst heraus – wobei andere natürlich als Auslöser fungieren können. Vielleicht kennen Sie Ihren „inneren Kritiker“? Der kennt sich ganz besonders gut mit den frühen Botschaften aus. Er hat sie quasi unverdaut geschluckt und erinnert Sie auch heute noch regelmäßig an die besten Überlebens-Strategien. Auch wenn er unglaublich nervt, meint er es im Grunde tatsächlich gut mit Ihnen. Allerdings hat er dabei den Zug verpasst. Er hat nicht mitbekommen, dass Sie mittlerweile erwachsen sind und gut für sich selbst sorgen können. Manchmal sind auch ein bisschen die Pferde mit ihm durchgegangen und er hat seine eigentliche Funktion in der Ausübung seiner Rolle verloren.

Mit der Begleitung eines guten Coachs können Sie sich derjenigen automatisierten Verhaltensweisen bewusst werden, die Ihnen heute weniger dienlich sind. Aus der erwachsenen Perspektive können Sie heute andere Antworten auf diese Botschaften finden, als sich Ihnen anzupassen. Sie können heute neue Entscheidungen treffen, die ihre natürlichen Qualitäten freisetzen und Ihren Handlungsspielraum nachhaltig erweitern. Mit Ihren inneren Anpassungs-Strategen können Sie in direkten Dialog treten und eine neue Job-Description aushandeln.
Nehmen Sie das Steuer selbst in die Hand und wagen Sie sich auf die Piste. Und auch wenn es dort manchmal ein bisschen holpriger ist, bin ich mir sicher, dass Sie Ihr neues weites und freies Lebensgefühl nicht mit dem des Überlebens tauschen wollen.

Mit Freude!
Christine Hebeiss

1.04.2019